Unser Körper besteht aus sehr vielen unterschiedlichen Strukturen wie Knochen, Muskeln, Sehnen und Organen. Ein Knochen beispielsweise ist eine harte Struktur, die dem Körper Halt gibt, für
Festigkeit sorgt und vor Druckbelastung oder Zugbelastung schützt. Ein Muskel hingegen kann sich zusammenziehen und dehnen und ermöglicht so erst den Knochen, sich zu bewegen. Es ist jeweils die
Funktion, die eine Struktur zu dem macht, was sie ist.
Ändert sich die Funktion, dann ändert sich auch die Struktur. So wächst ein Knochen, wenn er ständig unter Druck- und Zugbelastung steht, genauso wie ein Muskel stärker wird. Werden Knochen oder
Muskeln nicht mehr gebraucht, dann werden sie schwach und verkümmern. Gleiches gilt für alle anderen Strukturen des Körpers: ein Mehr an Funktion führt meist zu einem Mehr an Struktur und
umgekehrt.
Für die Osteopathie ist dieses Prinzip der gegenseitigen Abhängigkeit von Struktur und Funktion wichtig. Denn Funktionsstörungen zeigen sich als beeinträchtigte Bewegungen einer Struktur. Indem
der Osteopath die Bewegungen überprüft, kann er eine Funktionsstörung feststellen. Anschließend hilft er mit seinen manuellen Techniken der Struktur zu ihren ursprünglichen Bewegungen
zurückzufinden. Erst wenn die Bewegungen der Struktur wieder stimmen, kann diese in vollem Umfang funktionieren.
Die unzähligen Strukturen unseres Organismus sind alle direkt oder indirekt miteinander verbunden. Die Verbindungen stellen die Faszien her, dünne Bindegewebshüllen, die jede Struktur umgeben und
gemeinsam eine große Körperfaszie bilden.
In der Schulmedizin finden die meisten Faszien kaum Beachtung. Für die Osteopathie sind sie dagegen von großer Bedeutung. Denn folgt der Osteopath mit seinen Händen einer Faszie, so gelangt er
von einer Körperstruktur zur nächsten. Faszien verbinden auch solche Strukturen, die funktionell nichts miteinander zu tun haben. Faszien können zudem Veränderungen übertragen, wie
etwa Funktionsstörungen. Dies erklärt, warum Ursachen an einer Stelle oft zu Beschwerden in ganz anderen Körperregionen führen. Funktionsstörungen können deshalb immer den gesamten Organismus
betreffen.
Darum behandelt die Osteopathie nie einzelne Beschwerden oder Krankheiten, sondern immer den Patienten in seiner Gesamtheit. Nicht die einzelne Beschwerde ist wichtig, sondern, dass der
Organismus als Ganzes einwandfrei
funktioniert.
Gesundheit ist kein Ziel, das wir erreichen, sondern eine Art Gleichgewicht, das unser Körper halten will. Das ist gar nicht so einfach, denn unser Körper ist ständig inneren und äußeren
Einflüssen ausgesetzt, die ihn aus diesem Gleichgewicht bringen. Solange unser Körper dieses Gleichgewicht halten kann, sprechen wir von Gesundheit. Geht dieses Gleichgewicht
verloren, dann erkranken wir. Doch selbst wenn wir erkranken, gibt unser Körper nicht auf, sondern versucht, wieder gesund zu werden, also ein neues Gleichgewicht herzustellen.
Die Fähigkeit unseres Körpers, Gesundheit zu halten oder bei Erkrankung wiederzuerlangen, verdanken wir seinen Selbstheilungskräften. Diese zeigen sich auf vielfältige Weise, etwa wenn
gerinnendes Blut eine Wunde verschließt, wenn Bakterien bei Entzündungen abgewehrt werden, wenn unser Körper nach einer Viruserkrankung gegen die gleiche Erkrankung immun wird
oder wenn ein Knochen nach einem Bruch wieder zusammenwächst.
Meist entstehen Beschwerden oder Erkrankungen, weil eine Bewegungseinschränkung eine Struktur daran hindert, richtig zu
funktionieren. Eine solche Funktionsstörung kann früher oder später sogar die Struktur schädigen. Daher wird ein Osteopath immer versuchen, Bewegungseinschränkungen zu lösen. Damit unterstützt er
die Selbstheilungskräfte, die dann voll wirken können. Mehr kann ein Osteopath nicht tun. Heilen kann sich unser Körper nur selbst.